Müde, weil mein Hirn auf Wochenende programmiert ist, schleppe ich mich heute Morgen aus dem Bett. Ich mag die Dozentin, aber habe dennoch wenig Lust. Schon paradox, hm? Ähnlich, wie das Wetter gerade ist. Brav setze ich mich dann allerdings an meinen Laptop, packe mir den Kopfhörer aufs Haupt bzw. auf die Ohren und bin gespannt, ob es heute ohne technische Probleme vonstatten gehen wird. Und das tut es in der Tat!

Was ich an Online-Schulungen mag, ist natürlich die Tatsache, keine lange Anreise zu haben. Keine Parkplatzsuche oder unzuverlässige öffentliche Verkehrsmittel. Und ich kann in Joggingbuxe und mit nassen Haaren vor dem Rechner sitzen. Die Nachteile überwiegen dennoch immer für mich. Ich bin nicht so konzentriert. Bestimmte praktische Übungen können nicht gemacht werden. Es fehlen Gestik und Mimik, die dem Trainer zeigen, wer mitkommt, wer kurz vorm Einschlafen und wer überfordert ist. Die Interaktion bleibt einfach auf der Strecke. Vor Ort sind die Leute dieses Kurses schon auch nicht gerade die Superaktiven. Online sind sie hingegen noch dröger. Das ist ja so überhaupt gar nicht mein Ding. Vor allem versetze ich mich dauernd in die Trainerin, die sich echt Mühe gibt, aber so wenig Resonanz erfährt. Und so entsteht das Phänomen, das ich noch aus meiner Mittelstufenzeit kenne: Es findet in erster Linie ein Gespräch zwischen ihr und mir statt.
Mmmh, das wirft jetzt gerade allerdings ein falsches Bild auf mich, denn ich war in der Schule nicht fleißig oder übermäßig engagiert – wenn wir von der Grundschule mal absehen. In der neunten Klasse mussten wir wählen zwischen: Informatik, Französisch oder Deutsch-Bio. Informatik….ich? Haha, im Leben nicht. Französisch hingegen höre ich bis heute gern. Der Nachteil: Man sollte schon Vokabeln lernen. Ääääh…war jetzt auch nicht so mein Ding. Ein halbes Jahr habe ich durchgehalten. Dann habe ich umgewählt – zum Leidwesen des Französischlehrers, der mich tatsächlich mochte, was ich nie nachvollziehen konnte. Es war so eindeutig, dass ich eine faule Sau war. Egal.
Und so hatte ich dann plötzlich Bio und Deutsch. Allerdings waren wir nur zu fünft! Wow. Deutsch war ok, aber Bio war genial. Es ging um Genetik, was ich echt faszinierend fand und finde. Drei der fünf Mädels waren einfach nur verwöhnte, dämliche Kackbratzen, die auf gar nichts Bock hatten. Die Vierte war eine Freundin von mir, die auch interessiert war, aber nur so mäßig. Ich hingegen war mit Feuereifer dabei. Rückblickend stelle ich wieder einmal fest, dass bei mir alles mit dem Lehrer stand und fiel. Es war nahezu Einzelunterricht, was wir da betrieben haben. Dies kam den drei nagelfeilenden Dumpfbacken zugute, aber vor allem auch mir.

Und so ist es heute in großen Teilen auch. Ich warte immer ein paar Momente ab, ob mal jemand anderes antwortet, aber da kommt so gar nichts. Ein Schwerpunkt sind heute zum Beispiel Abwehrmechanismen, die in Teilen gut sind, in anderen Belangen hingegen schädlich. Abwehrmechanismen können uns beispielsweise helfen, mit schwierigen Situationen klarzukommen. Der, der bei mir am stärksten ausgeprägt ist, lautet: Humor. Somit verfüge ich – zumindest in Teilen – über eine eher reife Psyche, für die ich sehr dankbar bin. Gerade in den letzten Monaten ist das doch von Vorteil. Abwehrmechanismen können aber auch ins Krankhafte abdriften. Wenn ich beispielsweise die Sicht des Täters übernehme und mich quasi dafür abstrafe, was ich falsch gemacht haben muss, weshalb der Täter überhaupt erst zugeschlagen (oder sonst was gemacht) hat. Irgendwann fachsimpeln wir zwei dann, ob der andere Dozent und Tiefenpsychologe (seines Zeichens der Kackophant) richtig liegt, wenn er behauptet, dass eine Mutter es immer merken muss, wenn ihr Kind missbraucht wird. Mir erscheint dies zu hart. Die Praxiserfahrung mit den Opfern lässt für die Psychologin allerdings auch nur den Schluss zu, dass Mütter dies merken, es aber verdrängen und leugnen (auch zwei Abwehrmechanismen), um die Beziehung weiter aufrechtzuerhalten.

Ein anderes Beispiel: Vor einigen Jahren gab es ca. 25 km von meinem Wohnort entfernt einen Serienvergewaltiger. Manche der Frauen hat er auch umgebracht, andere konnten entkommen. Der Täter hat sich sogar an sogenannten Bürgerwehren beteiligt, die patroulliert sind, um diesen Kerl zu erwischen. Freunde konnten es im Nachhinein nicht fassen, hatten sie doch auf Grillfesten mit ihm über solch ein Schwein geschimpft. Seine Frau war vollkommen verzweifelt, als herauskam, dass ihr Mann der Täter gewesen ist. Sie konnte nicht fassen, neben einem Mörder und Vergewaltiger gelebt und geschlafen zu haben. Letztlich wurde sie in einer Psychiatrie behandelt, so mein letzter Kenntnisstand. Laut Tiefenpsychologie wird behauptet, dass diese Frau sehr wohl etwas gemerkt haben muss. Sie mag es verdrängt, es bewusst oder unbewusst beiseite gepackt haben. Zumindest müsse man ihr ankreiden, ihren Mann nicht wirklich gekannt zu haben. Und da hakt es bei mir irgendwie: Kennt man einen anderen Menschen wirklich so ganz? Die Psychologin sagt, man kenne ihn nicht so, dass man alles vorhersagen könne, aber doch so gut, um einschätzen zu können, ob etwas nicht stimme. Man sollte über seinen Partner oder auch über die eigenen engen Freunde schon wissen, wie sie aufgewachsen sind, was sie erlebt haben, was sie fühlen würden etc. Ich werfe mal ganz pauschal und klischeehaft (meine Art des Humors) ein, dass dies bei den meisten Männern nicht so auf Gegenliebe stoßen würde, als sie mich eines Besseren belehrt. In der Tat halte es sich die Waage bei Männern und Frauen, die nicht „richtig“ miteinander reden würden. Schon spannend. Aber wenn ich drüber nachdenke: Wieviele Menschen kenne ich, die zwar reden, aber nicht wirklich etwas sagen?
Ihr seht schon: Ganz so einfach ist das nicht. Hat uns ja auch keiner versprochen, ich weiß. Ich finde es interessant, über solche Ansätze zu philosophieren, anderen Meinungen und Erfahrungen darüber zu lauschen. Letztlich kann jeder von uns nur seine eigenen Schlüsse daraus ziehen.

Wir reden auch über die eigene Haltung als Therapeut. Gibt es Menschen, die wir ablehnen? Gibt es Themen, über die wir selbst nicht reden können? Mit diesen Dingen sollte man sich im Vorfeld befassen, um überhaupt ein guter Therapeut sein zu können. Eine Mitschülerin fragt dann doch auch mal was, nämlich woran man merke, dass man gut sei als Therapeut? Ob es da Fragebögen gäbe? Sie kommt aus der Wirtschaft, was man merkt. Ich kenne das Phänomen ja selbst. Als Trainerin gibst Du nachher im Auftrag der Firma Fragebögen aus, anhand derer die Teilnehmer Dich bewerten sollen. Mit diesem Papier kann man sich herrlich was abwischen. Sie besitzen selten eine echte Aussagekraft. So ist auch die Einschätzung der Psychologin. Ich wage mal eine These: „Wenn ich meine, alles zu wissen und nichts mehr dazulernen zu müssen, dann bin ich schlecht.“ Da lacht die Dozentin und sagt: „Dem stimme ich vollkommen zu. Dann sollte man den Job aufgeben.“
Es ist wohl, wie vieles im Leben, ein ständiger Wandel, eine Neugierde auf das Leben, der Wunsch, wirklich zu begreifen und zu erkennen. Man, man, man, hab´ ich ´nen Philosophischen. Aber mal ernsthaft: So sehr ich es liebe, zu lachen und rumzublödeln, so brauche ich doch auch diese tiefsinnigen Gedanken, damit ein für mich stimmiges, ausgewogenes Leben möglich ist. Und mit gar so vielen kann man das nicht teilen. Dafür mit denen dann aber umso intensiver. Schön, dass ich solche Menschen in meinem Leben haben darf.

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