Da gestern so gar nichts im Programm aufgeführt ist, das mich auch nur im Entferntesten interessieren könnte, beschließe ich mal wieder, einfach ewas über Amazon zu konsumieren. Als erklärter Fan von Bully, sticht mir sofort der „Boandlkramer“ ins Auge. Denn nicht nur Bully spielt mit, sondern auch Rick Kavanian (einer meiner Götter), Hape Kerkeling (definitiv immer schon einer meiner Götter) als Teufel, aber auch Sebastian Bezzel (der Eberhofer) und – immer urkomisch – Eisi Gulp (Eberhofer senior). Es ist so bedauerlich, dass der neue Eberhofer, der letztes Jahr im Sommer in die deutschen Kinos (zumindest im Süden) kommen sollte, immer wieder verschoben wird. Da ist es nur recht und billig, wenn die Schauspieler zwischendurch in einem anderen Film mitwirken. So spielt sogar der Moratschek (Sigi Zimmerschied) den Bürgermeister. Leider ohne Schnupftabak.
So weit liest sich die Besetzungsriege einfach mal himmlisch. Leider muss ich jedoch gestehen, dass ich den Film nicht dolle finde. Der Boandlkramer ist – für alle, die des Bayrischen nicht mächtig sind – Gevatter Tod. Es wirkt einfach zu klamaukig auf mich, um wirklich gut zu sein. Aber immerhin war es ein Wiedersehen mit manchem deutschen Schauspieler, den ich sehr mag.
Da es noch recht früh ist, starte ich noch einen anderen Film. Jetzt will ich aber was ganz anderes schauen. Ewig habe ich keinen richtigen Horrorschocker mehr gesehen. Und so entscheide ich mich für „Wir“. Ääääh…zwischendurch denke ich immer mal wieder: Jetzt setzt die Musik aus, jetzt muss es doch krass werden. Aber der Film ist sooo schlecht, dass ich kurzzeitig echt an „Mother“ denken muss – der schlechteste Film aller Zeiten (für mich). Vor lauter Verzweiflung schaue ich dann noch nach, wie lange sich diese Qual noch hinziehen wird und stelle entsetzt fest, dass der ja zwei Stunden dauert! Das packe ich nicht und stelle ihn kurzerhand aus. Das ist der Unterschied zum Kino. Damals bei „Mother“ haben wir uns nicht getraut, rauszugehen. Könnte ja so aussehen, als seien wir nicht intellektuell genug, so ein Werk zu verstehen. So ist es mir auch einmal mit meiner Sis bei einer Aufführung einer Oper von Mozart am Aachener Theater gegangen. Ich dachte immer, bei Mozart könne ja nix schiefgehen. Doch weit gefehlt – man kann alles versaubeuteln. Vermutlich bin ich einfach zu alt. Zumindest bleibt mir so gestern Abend noch genügend Zeit, mein derzeitiges Buch zu lesen. Im Bett ist es dazu ja auch schön muckelig warm. Dass ich das im Mai sagen muss!

Heute schaue ich dann – ja, Schande über mich, dass ich sonntags vormittags fernsehe – die Wiederholung vom Kölner Treff. Ein bisschen Rheinland brauche ich einfach in meiner Enklave Bayern. Ich weiß, dass das kein Bayer der Welt verstehen kann, ist mir aber auch wurscht. Eine Angelegenheit, die sie dort thematisieren, fasziniert mich ja auch derzeit: Diversität. Alle Firmen schreien danach, schreiben es sich auf die Fahne, handeln aber nicht danach. Wer schwul ist, äußert das nur im Künstler-Metier. Da gereicht es einem vielleicht noch zum Vorteil. Willst Du aber Karriere machen, ist das allerdings nicht clever, darüber zu reden. Welcher aktive Fußballspieler outet sich? Bei Frauen ist es nicht ganz so verpönt, homosexuell zu sein. Denn da spielen ja die Phantasien einiger Männer noch mit, die sich gerne einen Dreier vorstellen und denken, jede Frau würde sich „umpolen“ lassen, wenn sie denn in den Genuss eines „echten Mannes“ käme. Aber Männer in Röcken…??? „Muss das denn sein?“ Wie oft habe ich den Satz in den letzten Monaten gehört? Ich kann es nicht mehr zählen. Und das ist ein Satz, der mir eigentlich immer schon begegnet ist – in den unterschiedlichsten Lebenssituationen. Ich kann ihn nicht nachvollziehen. Ob ich nun einen Rock schön finde oder eine zerrissene Jeans, ist doch einerlei. Doch mitnichten! Und die zerrissene Jeans war früher auch ein Thema für „Muss das denn sein?“. Oder Metaller mit langen Haaren. Wieso muss diese Frage überhaupt gestellt werden, ob so was sein muss? Müssen muss man mal gar nichts. Mich regt manches Verhalten auf, das andere einengt oder verletzt. Aber was andere tragen, wen sie lieben…ist doch vollkommen egal. Es ist diese alte Denke, dass etwas nur so oder so sein kann, aber bitte nichts nebenher. Diese Angst vor dem aus-der-Reihe-Tanzen verstehe ich nicht. Es ist ja nicht so, als würde ein Röcke tragender Mann jetzt zu mir kommen und verlangen, ich müsste das genauso machen. Es geht nur um Akzeptanz und Toleranz. Ich verstehe den Schmerz nicht? Und das, obwohl ich an alten Werten sehr gerne festhalte. Aber der Wert eines Menschen bemisst sich nicht an Klamotten oder sexueller Orientierung.

Und so komme ich zu einem derartigen Beispiel meiner Jugend: Helge Schneider. Man kann sagen, man mag ihn oder nicht. Er ist zweifellos ein herausragender Musiker, obwohl ich Jazz nichts abgewinnen kann. Und er durchbricht immer wieder Tabus. So stolpere ich vorhin im Internet über die Info, dass gestern der deutsche ESC war. Stefan Raab, den ich persönlich nicht leiden kann, von dem ich aber sagen kann, dass ich ihn genial finde, hat ja dieses Format ins Leben gerufen. Und schließlich tritt für Deutschland – bis zum Schluss ein Geheimnis – Helge Schneider als Udo Lindenberg an, der ein Loblied auf Helge Schneider schmettert. Und ich weiß, auch das ist Klamauk, aber er nimmt dabei wieder alles – und vor allem sich selbst – auf die Schippe. Ich schmeiße mich weg, als ich mir das Video anschaue. Genau das möchte ich: Unterhalten werden, ohne dass dafür andere erniedrigt oder bestraft werden müssen. Ob dabei Conchita Wurst als Moderator*in ein Kleid und dazu immer noch Bart trägt, ist mir völlig wumpe. Auch so ein Phänomen, über das sich viele aufgeregt haben, als sie/er vor sieben Jahren den ursprünglichen Eurovision Song Contest gewonnen hat. Das habe sie/er ja nur, weil sie/er so queer sei und dem Zeitgeist entspreche. Sie/er hat in erster Linie wahnsinnig toll gesungen! Doch das geht unter bei all dem Geschimpfe über ihre/seine Präsentation im Kleid mit Bart. Dabei ist das doch sowas von egal!
Ich bin auch anders erzogen. Helge Schneider war für meinen Vater schrecklich, weil mein Vater eben nicht über sich selbst lachen kann. Hape Kerkeling ist „der Schwule“. So ein Schwachfug! Er bringt mich zum Lachen, wie kaum ein anderer. Er hat Tiefgang, wenn man sich „Ich bin dann mal weg“ oder „Der Jungs muss an die frische Luft“ durchliest. Aber diese Menschen sprengen Grenzen, die alles so herrlich einfach machen sollen, aber letztlich doch nur einengen. Da höre ich es wieder: „Muss das denn sein?“ Ja, es muss ein, dass Menschen Grenzen niederreißen. Es muss sein, dass jeder denken darf, was er/sie will. Es muss sein, dass wir mehr Toleranz und Akzeptanz gewinnen. Bei all der Fragerei nach dem „Muss das denn sein?“, stellt sich mir eher die Gegenfrage: „Was verletzt Dich daran?“ Und wenn es darauf keine gute Erklärung gibt – wobei ich „ich finde es schrecklich, mir das ansehen zu müssen“ nicht gelten lasse – dann sage ich: Verdammt, lasst die Leute doch leben, wie sie leben wollen. Sie tun mir doch nichts, nehmen mir nichts weg. Und im Regelfall sind sie dabei friedlich, was man über die empörten „Muss das denn sein?“-Hetzer nicht sagen kann, die dann gerne mit Gottes Schöpfung kommen und behaupten, der „liebe Gott“ hätte Männer und Frauen ja erschaffen, dass sie ein gottesfürchtiges Leben leben und sich in seinem Sinne fortpflanzen können, was zwischen Mann und Mann nun mal nicht möglich sei. Ist schon erstaunlich, dass sie so was zitieren, aber dabei den Grundsatz „Liebe Deinen Nächsten, wie Dich selbst“ nicht verinnerlicht haben. Also ja, es muss sein, dass sich Dinge verändern. Wenn dazu bunte, schrille Vögel nötig sind, bin ich damit völlig fein. Ein Hoch auf alle, die sich trauen, sie selbst zu sein.

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