Und da verfolgt es mich wieder, das Wörtchen Mut. Heute geht’s aufs Schiff, aber dieses Mal dann so ganz in echt und so. Ich begehe dieselbe tollkühne Tat, wie bereits am Montag: Ich hänge auf dem Balkon mitten in der Sonne ab, um die Zeit zu überbrücken. Sind ja nur noch gute zweieinhalb Stunden. Ich lese, öngere (ich liebe dieses Wort immer noch) und bummel die Zeit ab. Obwohl ich ja nicht so wetterfühlig bin, tun die ganzen Sonnenstrahlen schon auch gut. Als es Zeit wird, zockel‘ ich zur Rezeption, wo ich meine Rechnung begleiche. Nachdem mir der Kellner gestern schon grinsend entgegenkam und trällerte: „Aguas natural?“, zucke ich kurz. Man, bin ich langweilig und vorhersehbar. Daher entscheide ich mich einfach kurzfristig um: „No. Cerveza con 7up.“ Ja, das bringt mir immerhin ein kurzes Augenbrauenhochziehen. Geht doch! Und genau das will ich jetzt zusammen mit dem Wasser begleichen. Klappt auch reibungslos.
Anschließend ruckel‘ ich mich und den Koffer vors Hotel. Da das Einchecken so lange gedauert hat, habe ich genügend Zeit fürs Auschecken eingeplant – typisch deutsch und völlig unnötig. Tja, das konnte ich ja nicht ahnen. Draußen sitzt dann auch schon ein älteres Pärchen von der Schwäbischen Alp. Herrlich, diesem Dialekt zu lauschen. Sie treten die Rückreise an. Allerdings wissen sie zu berichten, dass das Schiff wohl total voll und richtig laut sein soll. Ein Träumchen…. nicht. Es kommen noch ein paar weitere Gäste, die auf Abholung warten. Heinz guckt um die Ecke. Ich winke pflichtschuldig. Er geht noch mal zurück und retourniert dann kurzerhand mit Giselaaaa. Die flötet direkt los: „Claudiaaaaa, Du bist ja schon da! Wir haben an der Rezeption auf Dich gewartet!“ Äääh… wovon ich nichts wusste, aber gut, jetzt kennt zumindest jeder hier meinen Namen. Da können wir uns die Vorstellrunde schon mal sparen. Die anderen berichten von ihren Kreuzfahrten. Scheint, ich bin die einzige Jungfrau, was das betrifft. Und so erzählen sie, dass man ausgerufen werde, wenn man nicht bei der Sicherheitsübung mitmache. Beim letzten Mal sei eine resolute kleine Frau durch die plaudernde Menge geschritten und habe: „Ruhe, die nächsten 10 Minuten rede nur ich!“ geschnauzt. Ein Träumchen. Ich denke an meine Tante Käthe in Kindertagen, die heute nur noch ein zahnloser Tiger ist, und raune: „Ich komm‘ nicht wirklich gut auf Autorität klar und muss dann eher lachen und rebellieren.“ Der Zahn wird mir gezogen. Gisela fragt noch, in welchem Stockwerk ich denn nächtige? Es ist Etage vier, was ihr ein trauriges Lächeln entlockt. Ich weiß, das ist in etwa da, wo Jake alias Leonardo Di Caprio eingesperrt war. Mich wird’s also erwischen, sollten wir kentern. Doch Gisela schaut eher betrübt, weil sie im Stockwerk 10 untergebracht sind. Zuversichtlich sagt sie: „Wir finden Dich!“ Heute hab ich zu viel Sonne getankt, denn eh ich mich verseh‘, fällt mir ein: „Ist das eine Drohung oder ein Versprechen?“ aus dem Gesicht. Alles lacht – zum Glück auch Giselaaaaa („Schätzelein, weißte Bescheid, ne?“).
Der Busfahrer kennt uns Deutsche einfach zu gut und kommt satte 10 Minuten zu früh. Macht nix, wir sind eh alle schon da.
Aufwendig dreht er den Bus an einer eher schmalen Stelle. Alle schauen gebannt zu, während ich raushaue: „Wäre es ’ne Frau, würden schon alle Männer hinstürmen und hektisch winken.“ Die Männer schauen betreten, die Frauen lachen. Uuups, schon wieder was unüberlegt aus dem Gesicht gefallen. Ich kann’s aber auch nicht lassen. Der Bus fährt rückwärts bis vor unsere Füße. Dann macht er noch Witzchen: „Aeropuerto, si?“ Is klar, Schönne. Den Witz reißt er vermutlich immer. Und dann fährt der Gute los. Mutter und Tochter hocken vor mir, während die 26-Jährige laut sagt: „Allein? Auf so einem Schiff zu reisen? Wenn man das noch nie gemacht hat???“ Puh… das nenne ich mal…“ „Verrückt?“, komme ich ihr zuhilfe. „Nee, eher ganz schön mutig!“ Häääää? Was daran ist bitte schön mutig? Na, so ein Schiff würde einen ja schon erschlagen, weil es riesig sei. Na, wenn das alles ist. Da hat mich die Aussicht auf den peruanischen Dschungel schon eher geängstigt. Krass, wie unterschiedlich Menschen Mut definieren, oder?
Der Busfahrer fährt, als hätte er Benzin im Blut. Die Straßen sind echt eng, der Bus richtig groß, die Eier des Fahrers gigantisch. Sorry, aber so isses. Der Bus setzt auch irgendwann bei einer Abfahrt auf, was ihn nicht aus der Ruhe bringt. Er lässt Luft in die Reifen pumpen… oder ins Fahrwerk… oder pumpt die Federn auf – watt weiß ich? Hatte ich erwähnt, über kein technisches Verständnis zu verfügen? So, da habt Ihr einen weiteren Beweis. Er schrömmelt auch einmal beim Abbiegen über den Bordstein, was sich fürchterlich anhört und ihn nur lachen lässt. Der Schönne rangiert, nimmt Vorfahrten und bleibt die Ruhe selbst. Als wir die Letzten einsammeln, bin ich kurz vorm Fischefüttern. Alter, ich glaub, ich brauch einen Schnaps! Aber da geht’s auch schon weiter. Es ist…ääääh…. nicht wesentlich besser auf der Autobahn. Vor uns fährt jemand mit viel Unsicherheit und daher wenig Tempo. Das kekst unseren Todesmutigen. Er hupt, und ich denke: Soll der sich vor uns jetzt einfach in Luft auflösen? Macht es das Hupen in irgendeiner Art besser? Löst es irgendwelche Probleme? Nein! Aber wie so ein Gorilla muss der Gute hupen. Seine Brust ist zum drauf-rum-Kloppen auch echt zu schmächtig. Kurzerhand überholt der Bus das rote Auto, setzt sich davor und bremst ab. Nein, da ist nichts in unserem Weg. Da staut sich auch nichts zurück – jedenfalls nicht auf der Straße. Es ist, als würde der Pavian seinen nackten Arsch präsentieren wollen. Das „typisch Mann“ ist schon raus, bevor ich auch nur denken kann. Dafür gibt’s zeitgleich aus Bottrop: „Geil! Das erhöht das Trinkgeld mal so richtig!!! Der Typ hat mal Eier!“ So unterschiedlich bewerten Menschen dieselbe Situation. Spannend zum zweiten.
Die AIDA Nova ist echt mal ein fetter Pott. Ich frage mich, wie das Ding schwimmen kann? Aber noch mal zur Erinnerung: Ich verfüge über KEIN technisches Verständnis. Gisela und Heinz stürmen – wie von der Tarantel gestochen – los, um einzuchecken. Weg sind sie… und in mir keine Sehnsucht. Das Zimmer überrascht mich total. Ich hatte mit einem kleinen Kabuff gerechnet und bin regelrecht überwältigt. Da ich eine Kabine mit Meerblick habe, ist genau am Fenster eine Sitzbank – Vorhänge und Kissen inklusive. Verdammt. Ich glaube, hier geh ich nicht mehr raus, sondern werde stundenlang lesen. So was wollte ich immer schon Zuhause haben. Ooooh, ist das toll!!! Gut, ich beruhige mich dann auch wieder. Das Sicherheitsgedöns muss ja noch absolviert werden. Aber auch das geht recht einfach, weil man es über den Fernseher absolviert. Und abschließend muss man mit Sicherheitsweste drei Stockwerke höher zu einem Typen, der die Karte scannt und alles auf „erledigt“ setzt. Jetzt kann es also losgehen. Huiiiiii, nun freu ich mich doch auf dieses Schiff, das ich eher skeptisch betrachtet hatte. Mal schauen, ob ich Giselaaaa und Heinz noch übern Weg laufe. Oder Bekannten meiner Schwester aus deren Dorf. Bei 5.000 Passagieren kann sich das – hoffentlich – verlaufen. In diesem Sinne: Ich schwimme dann mal.
Gute Reise 🙂
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Dankööööö
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